Kann jede Vorsorgevollmacht ausgehebelt werden?
Der Bundesgerichtshof entschied in seinen Beschlüssen vom 05.11.2014 (XII ZB
117/14) und vom 15.04.2015 (XII ZB 330/04), dass ein Vorsorgebevollmächtigter sich nicht dagegen wehren
kann, dass ein Betreuer bestellt wird, der die Vollmacht widerruft.
Die
Vorsorgevollmacht ermöglicht es dem Vollmachtgeber, seine Angelegenheiten zu regeln, ohne dass sich der
Staat einmischt. Deshalb darf kein Betreuer bestellt werden, wenn es eine Vorsorgevollmacht gibt (§ 1896
Absatz 2 Satz 2 BGB). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Bevollmächtigte seine Vollmacht missbraucht.
Dann kann das Gericht einen Betreuer bestellen, der die Vollmacht widerruft. - Soweit die Theorie. Was ist
aber, wenn das Gericht einen Betreuer bestellt, obwohl es dafür gar keinen Grund gab? Was ist, wenn dieser
Betreuer die Vollmacht widerruft? Dann ist die Vollmacht weg. Sie kann selbst dann nicht wieder aufleben,
wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Betreuerbestellung und der Vollmachtswiderruf rechtswidrig
waren. Grund dafür ist die Regelung in § 47 FamFG. Danach bleiben die Rechtsgeschäfte des Betreuers wirksam,
wenn sich die Betreuerbestellung nachträglich als rechtswidrig herausstellt.
Noch
schlimmer: Der Vorsorgebevollmächtigte kann sich nicht einmal dagegen wehren, dass ein Betreuer bestellt
wird. Mag die Betreuerbestellung noch so rechtswidrig sein. Eine Beschwerde des Vorsorgebevollmächtigten ist
nach der aktuellen Rechtsprechung unzulässig.
Es gibt
zwei Wege. Der Vorsorgebevollmächtigte kann die Beschwerde im eigenen Namen oder im Namen des Betroffenen
einlegen. Beide Wege werden ihm derzeit versperrt.
Die Beschwerde im eigenen
Namen setzt voraus, dass der Bevollmächtigte in eigenen Rechten verletzt ist. Der BGH führte nun
aber in seinen beiden Beschlüsen aus, dass die Vorsorgevollmacht kein subjektives Recht des Bevollmächtigten
sei. Das wird schon seit über 100 Jahren behauptet, ohne dass dieser Frage bisher intensiv nachgegangen
wurde. Der VorsorgeAnwalt und Autor dieses Beitrags Rechtsanwalt Dr. Papenmeier
wurde vom BGH als andere Ansicht zitiert, aber seine Argumente vermochten den BGH nicht zu überzeugen. Damit
ist dieser Weg versperrt.
Die Beschwerde im Namen des Betroffenen
setzt voraus, dass der Bevollmächtigte für diesen handeln darf. Das ist aber mit dem Widerruf der Vollmacht
nicht mehr der Fall. Damit ist auch dieser Weg versperrt.
Das kann aber nicht sein.
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 15.04.2015 gesehen, dass dieses Ergebnis gegen die Menschenwürde des
Betroffenen und gegen Art. 19 Absatz 4 GG verstößt, wonach ein effektiver Rechtsschutz möglich sein muss.
Der BGH hat aber offen gelassen, wie dieser effektive Rechtsschutz aussehen soll. Damit werden die
Beschwerdeführer zum Spielball der Rechtsprechung. Es müssen weitere Verfahren geführt werden, bis sich der
Bundesgerichtshof entschließt, einem Beschwerdeführer zu bescheinigen, dass er den richtigen Weg gefunden
hat. Wenn der Bundesgerichtshof dies nicht selbst schafft, bleibt die Verfassungsbeschwerde zum
Bundesverfassungsgericht als letzte Hoffnung.
Wir haben dieses Problem zuletzt auf
der letzten Tagung des VorsorgAnwalt
e.V. besprochen. Bitte sprechen Sie Ihren VorsorgeAnwalt an, damit er Ihnen in Ihrem Fall Lösungen
aufzeigt.
Datum: 04.06.2015 | Autor: Dr. Thomas Papenmeier