Betreuung
Keine Verpflichtung des Betreuer, die betreuungsgerichtliche Genehmigung für einen von ihm abgeschlossenen Kaufvertrag zu beantragen bzw. zu verwenden
Eine vertragliche Verpflichtung des Betreuers zur Einholung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung oder zum Gebrauchmachen von einer erteilten Genehmigung in Bezug auf einen vom gesetzlichen Betreuer abgeschlossenen Immobilienkaufvertrag ist unwirksam. Der gesetzliche Betreuer kann die der Notarin / dem Notar erteilte Doppelvollmacht jederzeit widerrufen.
"Für den vorstehenden Vertrag ist eine betreuungsgerichtliche
Genehmigung erforderlich, die der gesetzliche Betreuer hiermit beantragt. Die Notarin / der Notar wies darauf hin, dass dieses gesetzlich vorgesehene
Verfahren zu spürbaren Verzögerungen führen kann.
– unter Übersendung einer Ausfertigung dieser Niederschrift die betreuungsgerichtliche Genehmigung für sie zu beantragen,
–
die betreuungsgerichtliche Genehmigung samt
Rechtskraftzeugnis für den Betreuer entgegenzunehmen,
–
den anderen Beteiligten mitzuteilen und die
Mitteilung hierüber in Empfang zu nehmen,
–
den Rechtsmittelverzicht für alle übrigen
Beteiligten zu erklären sowie
–
das Rechtskraftzeugnis zu beantragen.
Die Empfangnahme und die Mitteilung sollen durch die Einreichung einer auf elektronischem Wege beglaubigten Abschrift dieser Urkunde mit einer elektronisch beglaubigten Abschrift des Genehmigungsbeschlusses zu den Grundakten als bewirkt gelten."
Aus der vorstehenden (typischen) Regelungen im notariellen Kaufvertrag können keine Rechte gegenüber dem Betreuer abgeleitet werden. Eine solche Gestaltung wäre mit der Konzeption des § 1829 BGB (ab 2023: § 1856 BGB) nicht zu vereinbaren. Der Käufer der Immobilie hat sich vielmehr darauf einzustellen, dass ein genehmigungspflichtiges Geschäft bis zur Mitteilung der Genehmigung an ihn scheitern kann (u.a. Grüneberg/Götz BGB § 1829 RN.1; MüKoBGB/Kroll-Ludwigs § 1829 Rn. 10; BeckOGK/Kilian BGB § 1829 RN. 10). Entsprechend dem gesetzgeberischen Konzept ist lediglich Käufer an den beurkundeten Vertrag gebunden. Der Betreuer ist gegenüber dem Vertragspartner nicht verpflichtet, die betreuungsgerichtliche Genehmigung einzuholen (BGH NJW 1952, 1410). Auch wäre der Betreuer nicht verpflichtet, eine bereits erteilte betreuungsgerichtliche Genehmigung mitzuteilen (BGH NJW 1970, 1414). Der Betreuer kann auf diese Entscheidungsfreiheit nicht wirksam verzichten (BayObLG FamRZ 1989, 1113; BeckOK BGB/Bettin, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 1829 Rn. 3).
Die Käufer als Vertragspartner können erst nach Mitteilung der rechtskräftigen Genehmigung des Betreuungsgerichtes durch den Betreuer auf die Wirksamkeit des Vertrages vertrauen, vorher besteht weder eine Bindung des Betreuten noch ein Schadenersatzanspruch gegen den Betreuer (Jurgeleit, Betreuungsrecht, BGB § 1829 Rn. 24). Der Betreuer behält als Ausfluss seiner eigenverantwortlichen Amtsführung auch nach Erteilung bzw. Verweigerung der Genehmigung die Entscheidungsbefugnis über die weiteren Maßnahmen (OLG Koblenz 17.1.2014 – 13 WF 1135/13, FamRZ 2014, 1037; Kaiser/Schnitzler/Schilling/Sanders, BGB, Familienrecht, BGB § 1829 Rn. 5). Die Regelung des § 1829 ist gemäß § 1908i BGB ausdrücklich für das betreuungsgerichtliche Verfahren anwendbar. Mit der Betreuungsrechtsreform wird die Reglung in § 1856 BGB originär in die Regelungen zur Betreuung überführt.
Der Betreuer hat in jeder Phase des Verfahrens sein Handeln ausschließlich am Wohl (ab 2023: an den Wünschen) des Betreuten zu orientieren. Entspricht der von ihm abgeschlossene Kaufvertrag diesen Anforderungen nicht mehr hat er das Genehmigungsverfahren abzubrechen bzw. von der ihm erteilten Genehmigung keinen Gebrauch zu machen.
Datum: 06.11.2022 | Autor: Ulf Schönenberg-Wessel