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BVerfG: Hohe Hürden für Nichteinwilligung von Betreuern und Bevollmächtigten bei Corona-Schutzimpfung

Können Betreuer die Impfung ihrer Schützlinge gegen Corona nach eigenem Gutdünken verweigern? Natürlich nicht! Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde eines enlassenen Berufsbetreuers klar gestellt. Ein Kommentar zum Beschluss 1 BvR 1211/21 des BVerfG.

Beschluss

Da wir eine Pandemiesituation mit einer potenziell tödlichen Erkrankung haben und das Robert Koch Institut (RKI) dringend die Impfung empfiehlt, sind an die Nicht-Einwilligung eines Betreuers (und genauso eines Bevollmächtigten) hohe Hürden geknüpft. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Beschluss klar gestellt: Beschluss des BVerfG, 1 BvR 1211/21

Natürlich kann jeder einwilligungsfähige Mensch für sich selbst die Impfung verweigern - solange keine gesetzliche Impfpflicht besteht. Man muss sich aber über die potentiellen Folgen im Klaren sein.
Für den Vertreter - der ja eh nur für eine einwilligungsunfähige Person entscheiden kann (jedenfalls sind ja auch die üblichen Vorsorgevollmachten so auszulegen), heißt das:

  • Gibt es eine eindeutige frühere Willensäußerung im Sinne des § 1901a BGB des früher noch einwilligungsfähigen Betroffenen, insbesondere eine Patientenverfügung (welche die Impfung weiterhin ausschließt) und offenbar auch kein Meinungswandel eingetreten ist? Dann ist der Vertreter weiterhin daran gebunden, auch wenn das für den Betroffenen jetzt Gesundheitsgefahren birgt (und evtl auch Zwangsmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz).
  • Gibt es das nicht, könnte nur noch eine eindeutige ärztliche Kontraindikation, die im Rahmen der Impfaufklärung (§ 630e BGB) erkannt wird, gegen die Impfung sprechen. In solchen Fällen braucht der Vertreter aber gar nicht zu entscheiden, weil es dann gar kein Impfangebot gibt.
  • Gibt es auch keine solche Kontraindikation, kann die Stellvertreterentscheidung nur "ja" lauten. Alles andere kann dann nur eine persönliche Fehldeutung des Vertreters im Sinne einer Verschwörungstheorie sein. Und eben pflichtwidrig und ein Grund zur Entlassung jedenfalls eines Betreuers wegen Nichteignung. Das hat das BVerfG dankenswerterweise klargestellt. Für den Bevollmächtigten müsste das konsequenterweise einen Vollmachtswiderruf durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer rechtfertigen.

Es bleibt noch eine Fallgestaltung: die indifferente Äußerung des Betroffenen selbst bei Unklarheit über dessen Einwilligungsfähigkeit. In diesem Falle (wenn sich also Vertreter und Arzt bei dem Gespräch nach § 1901b BGB  uneinig sind, wie sie diese Äußerungen zu bewerten haben) ist zwingend das Betreuungsgericht nach § 1904 Abs. 2 BGB anzurufen. Wenn das Gericht dabei entscheidet, dass kein Betroffenenwille der Impfung entgegensteht, muss der Vertreter die Einwilligung erteilen (Ermessensreduzierung auf Null). Das kann auch bei Betreuern mit einer Gebotsweisung nach § 1837 Abs. 2 BGB oder einem Betreuerwechsel wegen Nichteignung des bisherigen Betreuers (§ 1901b Abs. 1 BGB) durchgesetzt werden. Und bei Bevollmächtigten halt durch einen Vollmachtswiderruf und nachträgliche Betreuerbestellung.

 

Datum: 04.06.2021 | Autor: Horst Deinert

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