Vorsorgevollmacht
BGH: Anfechtung des Vollmachtswiderrufs, Geeignetheit des Bevollmächtigten
Im Urteil vom 19.07.2017 (XII ZB 141/16) befasste sich der BGH mit zwei wichtigen Fragen:
1. Kann ein Vollmachtswiderruf wegen Drohung angefochten werden, wenn ein Kind behauptet, die
Bevollmächtigten würden die Vollmacht missbrauchen und die Vollmachtgeberin eher umbringen, als ihr Vermögen
zurückzugeben? (nein)
2. Sind Bevollmächtigte geeinget, die sich von der
Vollmachtgeberin ihr gesamtes Vermögen übereignen lassen? (nein)
Die
Vollmachtgeberin litt an einer fortgeschrittenen Demenz. Sie hatte ihrem Sohn und ihren beiden Töchtern
Vollmachten erteilt, bei denen jeweils zwei der Kinder handeln mussten. Die Töchter ließen sich nahezu das
gesamte Vermögen der Vollmachtgeberin übertragen, darunter das selbsgenutzte Eigenheim der Vollmachtgeberin
und andere Grundstücke. Dabei unterschrieb die Vollmachtgeberin beim Notar selbst. Ob sie da noch
geschäftsfähig war, ist ungeklärt.
Die Vollmachtgeberin hat die Vollmachten ihrer
Töchter widerrufen. Der Sohn hatte die Vollmachtgeberin nachdrücklich angehalten, die Vollmachten
zu widerrufen, weil mit einem künftigen Missbrauch durch die Töchter zu rechnen sei. Diesen Widerruf hat die
Vollmachtgeberin später wegen Drohung angefochten. Ob die Vollmachtgeberin beim Widerruf oder bei der
Anfechtung noch geschäftsfähig war, wissen wir nicht.
Der Sohn wandte sich an das
Betreuungsgericht und regte die Bestellung eines Betreuers an. Mit diesem Anliegen erhielt er beim
Amtsgericht und beim Landgericht eine Abfuhr. Der BGH half dann weiter und verwies die Sache zurück.
Zunächst einmal haben die Töchter nach dem Sachstand gar keine
Vollmachten. Diese sind widerrufen worden, solange nicht feststeht, dass die Vollmachtgeberin beim Widerruf
geschäftsunfähig war. Die Anfechtung des Widerrufs ist zwar theoretisch möglich. Es lag aber kein
Anfechtungsgrund vor. Ein Anfechtungsgrund hätte nur vorgelegen, wenn der Sohn mit einem Übel gedroht hätte,
auf das er selbst Einfluss hatte. Auf das künftige Verhalten der Töchter hatte er jedoch keinen Einfluss.
Wenn es dabei bleibt, ist die Vollmacht unwirksam und es muss ein Betreuer bestellt werden.
Falls die Vollmacht der Töchter Bestand hätte, müsste geklärt werden, ob es trotz der Vollmachten eine
Betreuung geben kann. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn die Bevollmächtigten ungeeignet sind. Und
diese Frage sollte das Landgericht nach Ansicht des BGH noch einmal gründlich überdenken.
- Die Töchter hatten sich fast das gesamte Vermögen übertragen lassen. Falls die Mutter zu diesem Zeitpuntk schon geschäftsunfähig war, bestehen Rückübertragungsansprüche. Zudem haben die Töchter damit gezeigt, dass ihnen nicht so viel an den Interessen ihrer Mutter liegt.
- Eine Tochter hatte die Vollmachtsausfertigung des Sohnes, gab sie ihm jedoch nicht.
- Die Töchter verhinderten, dass der Verfahrenspfleger im Betreuungsverfahren mit ihrer Mutter reden konnte, ohne dass sie anwesend waren.
- Auch der massive Geschwisterstreit könne zur Ungeeignetheit der Töchter führen.
Datum: 16.05.2018 | Autor: Dr. Thomas Papenmeier