Zwangsbehandlung ohne Unterbringung?
Der Bundesgerichtshof hält § 1906 Absatz 3 BGB für verfassungswidrig und hat die
Vorschrift daher dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (Vorlagebeschluss vom 01.07.2015 - XII ZB
89/15).
Im Fall des BGH litt die Betroffene an einer schizoaffektiven Psychose. Sie
war an Krebs erkrankt. Sie erkannte nicht, dass eine Behandlung erforderlich war, um einen erheblichen
gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Die Betroffene widersprach daher der Behandlung. Die Betreuerin wollte
die Betroffene für die Behandlung unterbringen lassen. Sie beantragte dazu die Genehmigung des
Betreuungsgerichts. Diese wurde ihr in allen Instanzen verweigert, so dass der Fall zum BGH gelangte. Der
BGH konnte nach seiner Auffassung den Fall nicht entscheiden, weil es auf § 1906 Absatz 3 BGB ankam. Diese
Vorschrift ist nach Ansicht des BGH verfassungswidrig. Ãœber diese Frage darf nur das
Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Wo liegt das
Problem? Das Problem liegt darin, dass eine Zwangsbehandlung nur zulässig ist, wenn die Betroffene
untergebracht wird. Eine Unterbringung ist aber nur dann zulässig, wenn die Betroffene sich der Behandlung
ohne Unterbringung entziehen würde. Im Fall des BGH konnte sich die Betroffene der Behandlung aber gar nicht
entziehen, da sie bettlägerig war. Sie konnte weder das Bett verlassen, noch sich mit dem Liegerollstuhl
selbst bewegen, in dem sie sich regelmäßg befand.
Das Ergebnis lautete daher: Keine
Behandlung, da keine Unterbringung zulässig ist. Der BGH ist der Auffassung, dass dieses Ergebnis gegen den
Gleichheitssatz verstößt (Art. 3 Abs. 1 GG), weil die Differenzierung willkürlich ist. Wenn der BGH mit
seiner Vorlage Erfolg hat, wird künftig auch die Zwangsbehandlung ohne Unterbringung zulässig sein.
Die Fragen stellen sich auch, wenn eine Vorsorgevollmacht besteht. Nach § 1906 Absatz 5 BGB gelten die
Vorschriften für einen Bevollmächtigten entsprechend. Ihr VorsorgeAnwalt berät Sie dazu
gern.
Datum: 03.09.2015 | Autor: Dr. Thomas Papenmeier