Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments bei Testierunfähigkeit
Eine wechselbezügliche Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament kann auch
gegenüber einem Testierunfähigen (genauer: dessen Vertreter) widerrufen werden (OLG Nürnberg,
Beschluss vom 06.06.2013 - 15 W 674/13).
Wie kommt man vom gemeinschaftlichen
Testament zum Vorsorgerecht? Es geht hier um ein Testament zwischen Ehegatten, bei dem beide Ehegatten noch
leben. Ehegatten können im Testament sogenannte wechselbezügliche Verfügungen treffen. Das einfachste
Beispiel ist die gegenseitige Erbeinsetzung. Das Gesetz geht davon aus, dass die beiden Verfügungen sich
gegenseitig bedingen, also ein Ehegatte setzt den anderen nur deshalb zum Erben ein, weil er dafür auch zum
Erben des anderen eingesetzt wird.
Nun kann es aber sein, dass die Erbeinsetzung des
anderen Ehegatten nicht mehr gewünscht ist. Wenn zum Beispiel der eine Ehegatte bei Pflegestufe III im
Pflegeheim liegt und sein Vermögen täglich abschmilzt, dann will der andere Ehegatte ihn nicht unbedingt
noch zum Alleinerben einsetzen wollen. Dies würde nur dem Sozialhilfeträger nützen. In diesem Fall möchte
sich der noch testierfähige Ehegatte vom gemeinschaftlichen Testament lösen. Im einfachsten Fall können die
Ehegatten ihr Testament gemeinsam wieder aufheben. Das geht aber nicht mehr, wenn ein Ehegatte
testierunfähig ist. Für diesen Fall gibt es jedoch auch eine Lösung und damit musste sich das OLG Nürnberg
mit seinem Beschluss vom 06.06.2013 befassen.
Nach §
2271 Absatz 1 Satz 1 BGB kann der eine Ehegatte gegenüber dem anderen Ehegatten durch eine notarielle
Erklärung den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments erklären. Dieser Widerruf muss dem anderen
(testierunfähigen) Ehegatten zugehen. Einer geschäfts- bzw. testierunfähigen Person kann eine Erklärung aber
nicht selbst zugehen. Vielmehr muss diese Erklärung einem Vertreter zugehen. Im Fall des OLG Nürnberg war
dieser Vertreter ein Sohn des testierunfähigen Ehegatten, der zum "Ersatzbetreuer" bestellt worden war. Das
Nachlassgericht hatte sich daran gestört, dass der Sohn nicht stattdessen "Ergänzungsbetreuer" genannt
worden war. Weiterhin sah das Nachlassgericht Probleme darin, dass der Sohn durch die Entgegennahme des
Widerrufs selbst gesetzlicher Miterbe des Erblassers wurde. Beides konnte das OLG Nürnberg jedoch nicht
überzeugen. Damit war dieser Fall zu Gunsten der betroffenen Familie gelöst.
Wie ist
das nun eigentlich, wenn ein Vorsorgebevollmächtigter bestellt ist? Kann der Vorsorgebevollmächtigte die
Widerrufserklärung entgegen nehmen? Darüber wird in der Literatur gestritten. Das Landgericht Leipzig ließ
in einem Beschluss vom 01.10.2009 - 4 T 549/08 - die Entgegennahme durch einen Vorsorgebevollmächtigten zu.
Die Frage kann damit aber noch nicht als geklärt angesehen werden. Daher enthalten die Vorsorgevollmachten
des VorsorgeAnwalt e.V. immer noch
eine Betreuungsverfügung, die die Lücke schließt. Ihr VorsorgeAnwalt würde sich in der derzeitigen
Rechtslage vorsorglich für die Entgegennahme des Widerrufs zum Betreuer bestellen lassen, damit auch sicher
ist, dass eine wirksame Empfangsvertretung stattfindet.
Datum: 31.07.2013 | Autor: Dr. Thomas Papenmeier